Nicht beachtet und angeprangert – Studierende in der Pandemie
AStA der RWTH wehrt sich gegen Vorwürfe seitens der StädteRegion

In den Aachener Nachrichten vom 08. Juni 2021 wurde unter dem Titel “Städteregion verschickt 1400 Impfangebote […]” von dem Dezernenten für Soziales und Gesundheit der StädteRegion Aachen, Michael Ziemons, Kritik am Verhalten von Studierenden geübt. Hier wird Studierenden und jungen Erwachsenen vorgeworfen, Impfdosen, welche für sozial Benachteiligte sowie Familien gedacht sind, wegzunehmen. Gegen diesen generalisierenden und diskriminierenden Vorwurf wehrt sich der AStA der RWTH Aachen.

Die Bezeichnung der Studierenden als “Impftouristen” seitens des Dezernenten für Soziales und Gesundheit der StädteRegion Michael Ziemons stellt die betroffenen Studierenden, welche zumeist in der Pandemie durch die Politik Nichtbeachtung erfuhren und seit über einem Jahr ihre privaten Interessen zurückstellen, als unsolidarisch und egozentrisch dar. Des Weiteren erzeugt es eine Ablehnung der Bevölkerung gegen diese Gruppe und stellt sie in einer diffamierenden und diskriminierenden Art dar. Die Impfaktion in der Yunus-Emre-Moschee, welche wir sehr begrüßen, wird auf der Website mit den Worten “Alle Interessierten ab 18 Jahren” beworben. Eine Einschränkung ist hier in keiner Weise beschrieben oder zu erahnen. Auf dem Weg zur Herdenimmunität zählt jede impfwillige Person und wir sind froh, dass Initiativen wie diese die staatlichen Bemühungen unterstützen.

Bereits im nächsten Satz setzt Herr Dr. Ziemons noch einmal eine Schippe oben drauf, indem er von den zahlreichen beschriebenen Studierenden übergeht, zu dem sogenannten “Schlüsselerlebnis”, als “ein dicker Mercedes gehalten habe, dem zwei junge Männer entstiegen und zum Impfen gegangen seien”. Es wird wissentlich und willentlich die komplette Studierendenschaft als Bevölkerungsgruppe tituliert, welche ohne Sorgen und Nöten die Situation ausnutzt. Die Realität aus unserer Sozialberatung zeigt allerdings ein vollkommen anderes Bild: Viele Studierende kratzen seit Pandemiebeginn durch wegbrechende Minijobs, bspw. in der Gastronomie, am Existenzminimum. Die spärlichen Nothilfen und dankenswerterweise zusammengetragenen Spenden sorgen hier gerade so dafür, dass nicht reihenweise Studierende ihr Studium abbrechen müssen. Wir sehen diese Aussage in der beschriebenen Situation nicht nur als Hohn, sondern empfinden sie insbesondere aus dem Mund eines Dezernenten mit dem Geschäftsbereich Soziales als äußerst fragwürdige Botschaft.

Die Pandemie hat gezeigt, dass Studierende selbst häufig in prekärer Lage leben. In Wohngemeinschaften und Wohnheimen teilen sie sich den Platz mit vielen anderen Menschen auf wenigen Quadratmetern. Gleichzeitig herrscht an den Hochschulen gerade Unklarheit, wie die nächsten Semester und besonders die Prüfungsphasen im Verlauf der Pandemie aussehen könnten, Hörsäle und Kommiliton*innen wurden seit Anfang 2020 nicht mehr live gesehen und gerade unter Studierenden geht die Pandemie häufig mit Vereinsamung und psychischen Schwierigkeiten einher.

Abschließend möchten wir noch einmal hervorheben, dass die Studierenden als großer Teil der Aachener Bevölkerung sich in den vorangegangenen Monaten vielerorts ehrenamtlich engagiert haben und weiterhin ihren Teil zur Bekämpfung der Pandemie leisten. Verständlicherweise kommt es nach der Aufhebung der Priorisierungen zu einem Ansturm auf die Impfplätze, bei dem eine Neiddebatte und die Frage nach der notwendigen fairen Verteilung erneut aufkommen können. Gerade deshalb bitten wir darum, die Berichterstattung – nicht nur in Bezug auf Studierende, sondern selbstredend in jedem Fall – sachlich und ohne Diskriminierung oder Pauschalisierung zu gestalten.

Aachen, den 09.06.2021

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