Heute vor 70 Jahren,

legte der sowjetische Außenminister Andrei Gromyko den drei westlichen Siegermächten des Zweiten Weltkriegs einen Vorschlag zur Lösung der „deutschen Frage“ vor. Das Deutsche Reich wurde nach dem Sieg der Alliierten USA; Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien über das nationalsozialistische Regime 1945 in 4 Besatzungszonen aufgeteilt, aus denen die 1949 Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit Unterstützung der West-Alliierten und die von der Sowjetunion geschaffene Deutsche Demokratische Republik (DDR) hervorgingen. Eine Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands war bereits nach kurzer Zeit unwahrscheinlich, da beide Staaten in die beiden Machtblöcke des Kalten Krieges eingebunden wurden. Dennoch gab es auf beiden Seiten Bestrebungen, die beiden deutschen Staaten wieder zu vereinigen. Da ein Friedensvertrag Deutschlands mit den Siegermächten noch ausstand, schlug der sowjetische Diktator Stalin den Westmächten Friedensverhandlungen mit der Aussicht auf ein wiedervereintes Deutschland vor. In dieser später Stalin-Note genannten diplomatischen Note waren unter anderem folgende Punkte enthalten: Ein Friedensvertrag aller Kriegsparteien unter Beteiligung einer gesamtdeutschen Regierung, die Wiedervereinigung Deutschlands unter einer demokratisch gewählten Regierung unter Achtung von Versammlungs- und Pressefreiheit sowie einem Mehrparteiensystem, ein Abzug aller Besatzungsstreitkräfte von deutschem Boden sowie die Aufstellung von Streitkräften zur Verteidigung und der Produktion notwendiger Rüstungsmaterialien. Wichtigster Punkt war aber die Neutralität des wiedervereinten Deutschlands, das sich keinem Militärbündnis anschließen dürfte, das sich gegen einen Staat richtete, der am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte.

Die Regierung Adenauer antwortete zwar auf dieses Angebot, wollte aber zunächst einmal sicherstellen, dass die Integration der BRD in das westliche Bündnis- und Wirtschaftssystem abgeschlossen sei, um sich vor dem Einfluss der Sowjetunion zu schützen. Die Antwort der Westmächte sollte demnach Friedensverhandlungen zunächst verzögern. In der Bundesregierung herrschte die Auffassung vor, die Note Stalins sei nicht ernst zu nehmen, sodass Adenauer seine Politik der Westintegration unbeirrt fortführte. Dieses Misstrauen war auch in der BRD-Bevölkerung verbreitet, auch wenn vereinzelt Stimmen laut wurden, dass dieses Angebot wenigstens ernsthaft zu prüfen sei. Dennoch verlief der Vorstoß der Sowjetunion ins Leere und die BRD wurde im Laufe der Jahre in das westliche Bündnissystem eingegliedert, sodass eine Wiedervereinigung Deutschlands erst 1990 möglich wurde.

Seit 1952 gibt es immer wieder Stimmen, die dieses Zögern als eine verpasste Chance auf eine zügige Wiedervereinigung ansehen. Die Geschichtswissenschaft nimmt mehrheitlich allerdings an, Stalin wollte lediglich die Westintegration der BRD verhindern. Dennoch vertreten einige Geschichtsforscher*innen die Ansicht, Stalins Note war durchaus ernst gemeint und das Verhalten der Westmächte hätte eine schnelle Wiedervereinigung Deutschlands verhindert.

Aachen den 10.3.2022 (sp)